Begutachtung nach § 21c STVZO (Oldtimer)
Ich darf mich kurz vorstellen: Ich bin Außendienstmitarbeiter des TÜV und bin heute hierher bestellt worden, um bei einem Sondermodell eine Begutachtung nach
§ 21c STVZO (Oldtimer) vorzunehmen.
Dieser Oldtimer scheidet demnächst nach 32 Jahren aus dem aktiven Dienst im BMW-Fuhrpark aus, und wechselt nun endgültig zur Mobilen Tradition.
Sie wissen ja, wenn ein ganz besonderes Fahrzeug abgenommen werden soll, kommt der TÜV auch direkt zum Corpus Delicti.
Heute handelt es sich eindeutig um einen Oldtimer !!
Wie war doch gleich das Kennzeichen ? FR-JON 32 H
Wo ist denn das alte Vehikel? Kann die Halterin, Frau Southam bitte damit mal vorfahren?.
Wo ist denn das Kennzeichen? Aha, kein Nummernschild dran.
Das wäre normalerweise schon ein Grund die Abnahme zu verweigern.
Gut, daß ich als TÜV - Außenbeamter auf alles vorbereitet bin, und ein Nummernschild dabei habe.
Fahrzeugdaten:
Bei dem hier zu bewertenden Fahrzeug handelt es sich um ein englisches Produkt,
Typ. Jonathan aus dem Jahre 1948.
In Produktion gegangen ist es schon 9 Monate früher, aber es dauerte bis zum 16.01.1948 bis es in London schließlich vom Band gelaufen ist.
Wir haben es hier nicht mit einem Massenprodukt zu tun. Nein, es handelt sich dabei um ein Unikat. Wie gesagt, es wurde in England hergestellt und ist der Baureihe
Allzeit bereites, multifunktionales Rennmodell zuzuordnen.
Dieses Modell Jonathan ist im allgemeinen schwer zu bewerten, da es auf dem Gebrauchtwagenmarkt sehr selten gehandelt wird und bei einem etwaigen Verkauf nur noch Liebhaberpreise zu erzielen sind. Eine marktgerechte Beurteilung ist daher nur auf der Basis einer Vergangenheitsbetrachtung und auf einer Betrachtung des augenblicklichen Erhaltungszustandes möglich.
Durch einen glücklichen Zufall wurde das Gefährt im Jahre 1973 nach Bayern exportiert, und hat seither im BMW-Fuhrpark wertvolle Dienste geleistet.
Dabei wurde der Renner immer wieder auf den neuesten technischen Stand gebracht.
So wurde z.B. die Bordelektronik im Laufe der Zeit von VM auf UNIX umgerüstet.
Trotz dieser einschneidenden Entwicklungen ist der Bolide immer erstaunlich stabil gelaufen.
Das Fahrzeug ist schon frühzeitig von einigen Interessentinnen probegefahren worden, bevor es einer gewissen Gudrun so gut gefiel, daß auch sie eine Testfahrt wagte.
Im Rahmen von Marktbeobachtungen und Marktanalysen, verbunden mit einer zweijährigen praktischen Testphase, entschied sich die Fahrzeughalterin Gudrun für das hier gegenständliche Modell. Beeindruckt durch das äßerst attraktive Design, hat sie sich unverzüglich mit den technischen Daten des neuen Typs auseinandergesetzt und es im Oktober 1976 erworben.
Böse Zungen behaupten, daß dieser Wagen mit seinem Trieb, äh Antrieb die Käuferin einfach hörig gemacht hat.
Der Kaufpreis ist mir leider nicht bekannt, aber sicher war er nicht billig, denn es war ja schließlich eine Anschaffung fürs Leben.
Großzügigerweise hat die Halterin das Fahrzeug auch nach dem Erwerb dem BMW Fuhrpark weiterhin zur Verfügung gestellt.
Nicht zu vergessen ist, daß es nicht nur zum Vergnügen gefahren wurde, sondern im Fuhrpark auch unter härtesten Bedingungen getestet wurde.
Kommen wir nun zur Fahrzeugbewertung:
Technische Daten:
Fahrgestellnummer Q032987
Karosserieform Barockengel
Lackierung British Racing White
Sonderausstattung Rotes Verdeck
Weißbiertank
Produktionsdatum April 1947
Auslieferung 16.01.1948 in London
BMW-Fuhrpark 1973 -2005
Erhaltungszustand:
Vor der anschließenden Bewertung ist noch zu betonen, daß die Gesamtbeurteilung dadurch erschwert wurde, daß die Fahrzeughalterin einer Probefahrt durch eine Co-Gutachterin nicht zugestimmt hat.
Es ist davon auszugehen, daß das Fahrzeug noch in keinerlei größere Verkehrsunfälle verwickelt war. Die äußere Untersuchung ergab keine sichtbaren Schäden, abgesehen von Witterungsbeeinflussungen der Außenhaut und den allgemeinen Abnutzungserscheinungen, dem Baujahr und der Laufleistung entsprechend.
Das ursprünglich rote Verdeck ist noch relativ gut erhalten, weist aber bereits einen leichten Grauschleier auf.
Dieses Rennmodell zeigt einen sportlichen Gesamteindruck, dessen Karosserie trotz des frühen Baujahres bereits ein stromlinienförmiges Karosserie-Design (Typ Barockengel) aufweist.
Allerdings sind durch regelmäßigen sportlichen Einsatz, mit extremen Richtungsänderungen auf begrenztem Raum (Squash), die Achsschenkelbolzen schon etwas ausgeschlagen. Daher ist der Entschluss zu begrüßen, künftig eine ruhigere Kugel zu schieben.
Der doppelkugelgelagerte Kolben befindet sich noch in sehr gutem Zustand und ist zur Freude der Besitzerin noch voll funktionsfähig.
Um das Gefährt sicher auf dem Weg zu halten, bedarf es seitens der Lenkerin ab und zu größerer Kraftanstrengungen, weil es manchmal “ besonders nach übermäßiger oder falscher Betankung - nicht mehr in der Lage ist, die Spur genau zu halten.
Eine Kinderkrankheit dieses Modells sind die Startschwierigkeiten des Motors am Morgen, so dass sich das murrende Fahrzeug nur mit Mühe aus der Garage bewegen .
Den Tiger im Tank braucht unser Oldtimer nicht, denn er kann wahlweise mit Tee, Weißbier oder gutem Wein gefüllt werden. Im Verbrauch liegt er etwas über dem Durchschnitt, wobei er erstaunlicherweise im Ruhezustand mehr schluckt als im Stadt- oder sonstigem Verkehr.
Negativ zu bewerten ist auch der erhöhte Spritverbrauch bei Wochenendausflügen, wobei die Klopffestigkeit des Kraftstoffes mit hochprozentigem Alkohol gesteigert wird.
Der Auspuff gibt keinerlei Anlass zu Beanstandungen, er funktioniert prächtig und regelmäßig. Der Einbau eines Kat’s erscheint jedoch wegen des manchmal strengen Geruchs zweckmäßig.
Die Kupplung ist noch gut erhalten, der Abzug ist für die Schneckenjagd im heimischen Garten auf alle Fälle noch ausreichend.
Die Bremsen wirken perfekt, denn wenn der Wagen einmal an einer Zapfsäule ist, läßt er sich kaum noch fortbewegen.
Die Benzinpumpe arbeitet zuverlässig. Schleichende Schäden des Luftfilters konnten im Rahmen dieser Begutachtung nicht festgestellt werden.
Eine Regelmäßige TÜV-Abnahme wird daher empfohlen!
Um Standschäden vorzubeugen nimmt das Fahrzeug regelmäßig an Oldtimer Rallye´s im Schwarzwald teil, was sich trotz der hohen Beanspruchung positiv auf den Erhaltungszustand des Fahrzeugs auswirkt. Diese Bewegungsfahrten sind nach dem Wegfall der Dienstfahrten zwischen Freiburg und München unbedingt beizubehalten.
Der gute äußere Pflegezustand hält den Wertverlust durch die Laufleistung und das hohe Fahrzeugalter in Grenzen, und ist vermutlich in hohem Maße der guten Pflege durch die Fahrzeughalterin anzurechnen.
Zeitwert:
Verkaufsabsichten wurden seitens der Halterin nicht geäußert. Von sachverständiger Seite wäre von einem solchen Verkauf auch dringend abzuraten, da der wahre Wert des Fahrzeuges auf dem Markt niemals erzielt werden kann (außer man findet eine besondere Liebhaberin).
Aufgrund der hohen Laufleistung wird jedoch empfohlen, das Fahrzeug aus dem aktiven Dienst im BMW Fuhrpark zu entlassen und in den Verdienten Ruhestand bei der Mobilen Tradition der BMW AG zu schicken.
Aus der obigen Ausführung ergibt sich für das hier geprüfte Modell Jonathan folgendes Fazit:
Fazit:
Unbezahlbares Einzelstück, das ab sofort die Bezeichnung OLDTIMER führen darf und zu dem die Halterin nur beglückwünscht werden kann.
Trotz kleiner, altersbedingter Mängel ist die Teilnahme am Verkehr weiterhin ohne Probleme möglich. Beim Verkehr auf Öffentlichen Straßen und Plätzen ist darauf zu achten, daß das Nummernschild getragen wird.
Sorgfältige Pflege und gelegentliche Schonung wird empfohlen.
Die einzelnen Gänge sollten nicht mehr voll ausgereizt werden.
Extremes Beschleunigen, interruptes Bremsen so wie plötzliche Richtungsänderungen sind zu vermeiden.
Wir wünschen dem Oldtimer und der Halterin weiterhin Gute Fahrt.
Nächster Vorführtermin: 16.01.2008
Gutachten wurde am 11.07.2005 erstellt durch TÜV Bayern
Gutachter: R.Anzinger
|